Wilson Vowahlgetriebe / Vorwählgetriebe
Wilson Preselector Gearbox
Das Wilson Vorwahlgetriebe
Die bekanntesten Hersteller von Vorwahlgetrieben unter Nutzung der Patente (1919) des britischen Ingenieurs Walter Gordon Wilson, waren Armstrong Siddeley, E.N.V. Engineering Co., Ltd., Daimler und Talbot. Die Getriebe dieser Hersteller arbeiten nach dem gleichen Prinzip, d. h. es sind manuelle Planetengetriebe (Epicyclic Gearbox), mit vier Vorwärts-, einem Rückwärtsgang und einer Neutral-Stellung (Leerlauf). Sie unterscheiden sich jedoch in ihrem Aufbau voneinander in einigen wichtigen Details.
Die 3 Baugruppen des Wilson-Getriebes
Bei dieser speziellen Art von Getriebe wird über einen Wahlhebel der als nächstes einzulegende Gang vorgewählt und über ein separates Fußpedal (anstelle des herkömmlichen Kupplungspedals) eingelegt. Grundsätzlich benötigen Vorwahlgetriebe keine Kupplung. Wird das Pedal herunter getreten, trennt es den Antrieb und erzielt die Wirkung einer herkömmlichen Kupplung. Viele Typen sind jedoch mit einer Fliehkraftkupplung (z. B. Riley) oder einer Flüssigkeitskupplung („Fluid Flywheel“, z. B. Daimler) ausgerüstet. Diese Kupplungen machen ein „sanfteres“ Anfahren möglich und reduzieren den Verschleiß der Bremsbeläge des 1. Gangs.
Das Wilson-Getriebe umfasst drei Baugruppen: den Antrieb, die Bremsbänder und den Schaltmechanismus, untergebracht in einem öldichten Gehäuse.
Antrieb: Dieser besteht aus vier miteinander verbundenen epizyklischen Gangeinheiten, wobei durch eine Koppelung der Einheiten unterschiedliche Untersetzungen und ein Rückwärtsgang möglich gemacht werden. Der höchste oder direkte Gang funktioniert über eine Konuskupplung (einige spätere Modelle haben eine Scheibenkupplung). Eine Ölpumpe (bei einigen Modellen auch zwei) sorgt für eine ausreichende Schmierung aller Teile dieses komplexen Mechanismus. Die Planeteneinheit des 1. Gangs überträgt bei allen Vorwärtsgängen die Kraft auf die Ausgangswelle.
Der 1. Gang wird aktiviert durch das Zusammenziehen seines Bremsbandes um die innenverzahnte Bremstrommel (Annulus), die damit festgehalten wird. Der Motor dreht die Eingangs- oder Antriebswelle mit dem darauf mitlaufenden Hauptsonnenrad, das wiederum die Planetenräder des 1. Gangs und ihren Planetenträger in ihrem gebremsten Annulus dreht. Der Planetenträger – über eine Verzahnung verbunden mit der Ausgangswelle – überträgt dann seine Drehung und damit die Kraft vom Motor auf die Ausgangswelle und weiter über die Kardanwelle zur Hinterachse und auf die Räder.
Der 2. Gang wird ebenfalls durch die Abbremsung seines Annulus aktiviert. Das Hauptsonnenrad, gedreht durch die Eingangswelle, versetzt dann die Planetenräder des 2. Gangs und ihren Planetenträger in eine Drehung. Dieser Planetenträger ist jedoch verbunden mit dem Annulus des 1. Gangs, der damit ebenfalls – und mit einer erhöhten Drehzahl – gedreht wird und seine schnellere Rotation auf die Planeten und deren Träger und somit auf die Ausgangwelle überträgt.
Der 3. Gang wird aktiviert durch die Abbremsung seiner Bremstrommel und seines darauf fest montierten Sonnenrads. Darüber hinaus funktioniert der Annulus des 3. Gangs als Planetenträger des 2. Gangs, der wiederum verbunden ist mit dem Annulus des 1. Gangs. Der Annulus des 3. Gangs sitzt in der Bremstrommel/dem Annulus des 2. Gangs und treibt also diesen mit der entsprechend höheren Rotation des 3. Gangs an, die weiter auf den 1. Gang und damit auf die Ausgangswelle abgegeben wird. Mit anderen Worten: Mit dem Zusammenschluss der Planetensätze des 2. und 3. Gangs wird eine Erhöhung der Rotation des Annulus des 1. Gangs und damit seiner Planetenräder erzielt.
Bei der Aktivierung des 4. oder direkten Gangs wird in seinem Bauteil ein innerer Konus in einen äußeren Konus gepresst. Der äußere Konus ist Teil der Bremstrommel des 3. Gangs mit seinem stationären Sonnenrad und ist ausgestattet mit einem Reibbelag. Durch diesen Kraftschluss wird der gesamte Antriebsstrang zusammengekoppelt und rotiert damit als ein Block mit der gleichen Drehzahl wie der Motor. Wie bereits vorstehend beschrieben, haben einige spätere Modelle eine Scheibenkupplung.
Rückwärtsgang: Das Sonnenrad des Rückwärtsgangs sitzt fest auf der Bremstrommel des 1. Gangs. Wird der Annulus des Rückwärtsgangs gebremst, werden seine durch das Sonnenrad des Rückwärtsgangs gedrehten Planetenräder und deren Träger gegen die Drehrichtung der Eingangswelle gedreht. Da der Planetenträger des Rückwärtsgangs über eine Verzahnung mit der Ausgangswelle verbunden ist, wird also auch die Kardanwelle gegen die Drehrichtung des Motors gedreht.
Im Leerlauf („Neutral“) werden der Rückwärts- und der 1. Gang gemeinsam aktiviert, jedoch wird über eine Sperre verhindert, dass deren Trommeln durch die Bremsbänder gebremst werden. Die Gangeinheiten laufen somit „leer“ und es wird keine Kraft auf die Ausgangswelle übertragen.
Die Bremsbänder: Jeder einzelne Gang (mit Ausnahme des direkten Gangs) ist mit einem separaten Bremsband ausgerüstet, das die Bremstrommel bzw. den Annulus des gewählten Gangs abbremst und zum Stillstand bringt. Da die Beläge des Bremsbandes sich – wie auch bei Radbremsen – je nach Dauer und Beanspruchung abnutzen, erfolgt im Wilson-Getriebe eine automatische Nachstellung, um einen Schlupf der Bänder zu vermeiden.
Durch die Konstruktion der Bremsbänder mit einem inneren und einem äußeren Band, die gegeneinander ziehen, wird erreicht, dass die auf die Bremstrommeln einwirkenden Kräfte ausbalanciert werden.
Der notwendige Zug auf die Bremsbänder erfolgt so: Ein Nockenwellen-Mechanismus presst über die Federzunge des vorgewählten Gangs eine Zugstrebe gegen die Vorderkante einer Schiene, der so genannten „Bus Bar“, die wiederum über die im Getriebe installierte große Spiralfeder ständig in der „Oben“ Position steht. Wird nun das Fußpedal durchgetreten, wird über einen Umlenkmechanismus die Bus-Bar in die Position „Unten“ gebracht und die Zugstrebe des gewählten Gangs kann jetzt in eine Aussparung in der Bus Bar einrasten (die Zugstrebe des vorher eingelegt gewesenen Gangs wird gleichzeitig durch einen in sie integrierten Federmechanismus aus der Bus Bar herausgedrückt). Beim Lösen des Pedals drückt jetzt die Bus-Bar die Zugstrebe nach oben, die wiederum über ihren beweglichen Kopf das Bremsband zusammenzieht.
Der Schaltmechanismus: Über den Vorwahlhebel an der Lenksäule (oder an der Mittelschaltung) wird mithilfe eines Übertragungsgestänges ein Hebel an der Nockenwelle angesteuert, der die Nockenwelle in die Position des vorgewählten Gangs dreht. Aktiviert wird der somit vorgewählte Gang durch das Durchtreten des Fußpedals: Das Fußpedal ist über ein Gestänge mit dem Gangwechselhebel am Getriebe verbunden und dieser wiederum bedient über eine Welle die Feder der Bus-Bar und senkt diese ab (siehe auch vorstehenden Absatz). Der Gang wird eingelegt.